Den Flug verpasst oder aus anderen Gründen nicht angetreten – das kommt vor. Neu ist, dass man nun auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, die die Fluggesellschaft dadurch erspart hat, dass man den Flug nicht angetreten hat. Und zwar auch dann, wenn diese nicht im Flugpreis einkalkuliert waren. Das entschied der BGH in einem Urteil vom 1. August.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Mitte August 2023 veröffentlichten Grundsatzurteil entschieden, dass ein Fluggast die Erstattung der Flugnebenkosten verlangen kann, die die Fluggesellschaft erspart, wenn der Fluggast den Flug nicht antritt. Dies gelte auch dann, wenn die Fluggesellschaft diese Kosten nicht in den Flugpreis einkalkuliert hat (Urt. v. 01.08.2023, Az. X ZR 118/22). Zuvor hatten bereits das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) Memmingen der Klage stattgegeben (Urt. v. 28.01.2022, Az. 11 C 781/21; Urt. v. 28.09.2022, Az. 13 S 249/22).

Im konkreten Fall hatte der Fluggast einen Flug vom Allgäu Airport in Memmingen auf die Insel Kreta gebucht. Das Ticket kostete 27,30 Euro. Am Abflugtag erschien der Mann jedoch nicht am Gate, so dass das Flugzeug ohne ihn abhob. Der Mann hatte weder seinen Rücktritt vom Flug erklärt noch die Buchung storniert. Dennoch verlangte er von der irischen Fluggesellschaft die Erstattung der Kosten, die diese durch seinen Nichtantritt des Fluges erspart hatte. Insgesamt waren dies 18,41 Euro, also mehr als zwei Drittel des gesamten Flugpreises. Der Preis setzte sich aus Steuern, Gebühren und Entgelten zusammen. Die Fluggesellschaft weigerte sich jedoch zu zahlen. Daraufhin trat der Fluggast seine Ansprüche an einen Dienstleister ab. Dieser klagte auf anteilige Erstattung des Flugpreises.

Nichtantritt des Fluges ist konkludente Kündigung

Der BGH bestätigte in seiner Entscheidung die Urteile des AG und des LG Memmingen. Er bejahte einen Anspruch auf Rückzahlung des zu viel bezahlten Teils des Flugpreises gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Hintergrund der Entscheidung des BGH ist eine Vorschrift aus dem Werkvertragsrecht. Denn nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beförderung mit einem Flugzeug eine Werkleistung dar. Die maßgebliche Vorschrift des Werkrechts ist hier § 648 BGB. Danach kann der Besteller des Werkes – hier also der Fluggast – den Vertrag bis zur Vollendung des Werkes jederzeit kündigen. Im vorliegenden Fall sei die Kündigung konkludent durch den Nichtantritt des Fluges erfolgt, so die Richter.

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In diesem Fall könne der Werkunternehmer, hier also die Fluggesellschaft, zwar trotzdem die Vergütung verlangen, müsse sich aber dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart hat. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts gerade auch für die Flugnebenkosten. Das sind solche Kosten, die die Fluggesellschaft pro beförderter Person zahlt. Diese fallen nicht an, wenn der Fluggast den Flug nicht antritt. Damit hat der BGH lediglich seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2016 bestätigt.

Preiskalkulation spielt keine Rolle

Noch nicht entschieden hatte der BGH 2016 allerdings, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Fluggesellschaft diese Flugnebenkosten nicht in ihre Preiskalkulation einbezogen und entsprechend ausgewiesen hat. Nach Ansicht der Richter sehe jedoch weder der Wortlaut eine Differenzierung danach vor, noch sei eine solche Differenzierung aus anderen Gründen geboten. Die Fluggesellschaft müsse zwar vor den Nachteilen aufgrund einer Kündigung geschützt werden, dürfe aber andererseits auch keine Vorteile aus der Kündigung ziehen. Denn bei vollständiger Vertragserfüllung hätte die Fluggesellschaft die von der tatsächlichen Beförderung einer Person abhängigen Flugnebenkosten zahlen müssen. Ohne die Beförderung hätte sie dagegen den vollen Flugpreis behalten können, obwohl ihr diese Kosten durch den Nichtantritt der Reise erspart geblieben wären. In diesem Fall wäre sie also finanziell besser gestellt.

Die Fluggesellschaft argumentierte, dass sie die Preise unter anderem deshalb so niedrig angesetzt habe, weil sie mit Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen und Getränken oder der Vermittlung von Mietwagen und Unterkünften rechne. Doch auch hier sahen die Richter keinen Grund, von der klaren gesetzlichen Regelung abzuweichen. Denn es sei keineswegs sicher, dass es zu solchen Zusatzgeschäften komme. Vielmehr ließen sich diese Geschäfte auch nicht einem konkreten Vertrag oder Fluggast zuordnen und es sei kein Raum für eine Schätzung der aufgrund der Kündigung möglicherweise entgangenen zusätzlichen Einnahmen. Das Urteil des BGH könnte insbesondere für Billigfluggesellschaften relevant sein. Denn bei ihnen machen Steuern und Gebühren oft einen großen Teil des Gesamtpreises aus.

lyt