Haftet eine Kommune, wenn ein Radfahrer auf einem Radweg von einer Baumkrone erwischt wird? Diese Frage beschäftigte zwei Instanzen, zuletzt dann das OLG Hamm. Dabei hatte das OLG letztlich zu beurteilen, wann Kommunen in NRW öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht trifft und ob der schadensverursachende Baum überhaupt dem Radweg zugeordnet werden konnte.

Wird ein Radfahrer durch einen am Straßenrand stehenden Baum verletzt, heißt das nicht zwangsläufig, dass ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht. Das entschied nun das Oberlandesgericht (OLG) Hamm und lehnte die Ausgleichsansprüche eines verletzten Radfahrers gegen die Kommune somit ab. Begründet wurde die Entscheidung unter anderem damit, dass der schadensverursachende Baum nicht an einer öffentlichen Straße stand (Urt. v. 30.06.2023, Az. 1 U 51/22).

Ein Mann wurde 2018 in NRW beim Fahrradfahren böse überrascht: Als der Radfahrer auf einem Radweg entlang eines Baches unterwegs war, brach plötzlich die Baumkrone der am Wegrand stehende Eiche aus sechs bis sieben Metern ab und stürzte auf ihn. Dabei zog sich der Mann erhebliche Verletzungen zu, weshalb er von der Kommune Schadensersatz und Schmerzensgeld forderte.

Radfahrer zieht vor das LG Bielefeld

Der Unfall ereignete sich auf einem Abschnitt des Radweges, der sich auf einem Privatgrundstück befand. Durch einen Ratsbeschluss aus dem Jahr 1975 war festgelegt worden, dass genau dieser Pfad auf dem privaten Grundeigentum jedoch als öffentlicher Wanderweg ausgewiesen wird. Der Radfahrer zog wegen der Verletzungen vor das Landgericht (LG) Bielefeld, wo es einige Fragen zu klären gab: Zum einen die Debatte über die Einordnung des Rad- und Wanderwegs als öffentlich gewidmete Verkehrsfläche. Zum anderen die Frage, ob die beklagte Kommune aufgrund der übernommenen Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers zur regelmäßigen Überwachung des Baumes, der den Schaden verursachte, verpflichtet gewesen war. Außerdem wurde diskutiert, ob die Kommune bei diesen Überprüfungen den nicht verkehrssicheren Zustand des Baumes hätte erkennen müssen.

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LG lehnte Haftung für waldtypische Gefahren ab

Das LG Bielefeld wies die Klage des Radfahrers ab (Urt. v. 14.02.2022, Az. 6 O 30/21). Die beklagte Kommune wurde von einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht freigesprochen. Der Unfall habe sich laut Gericht auf einem durch einen Wald führenden Waldweg ereignet. Es habe sich nicht um bloße Baumgruppen, sondern eine mit Forstpflanzen bestückte Grünfläche gehandelt. Laut der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers auf die Sicherung gegen nicht waldtypische Gefahren beschränkt. Eine Haftung für waldtypische Gefahren bestehe im Allgemeinen nicht.

OLG Hamm lehnt Verkehrssicherungspflicht für Kommune ebenfalls ab

Damit wollte sich der Radfahrer aber nicht zufriedengeben und zog daher vor das OLG Hamm. Dort stellte das Gericht aber fest, dass in NRW die Verkehrssicherungspflicht für Bäume als hoheitliche Aufgabe lediglich in Bezug auf Straßenbäume bestehe. In diesem Fall habe die Kommune schon deswegen keine öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht getroffen, weil die Eiche, die den Unfall verursachte, nicht an einer öffentlichen Straße stand. Zusätzlich zur fehlenden hoheitlichen Verkehrssicherungspflicht scheiterte eine Haftung der beklagten Kommune daran, dass die Eiche nicht dem Rad- und Wanderweg zuzuordnen war.

Das OLG Hamm schloss sich also der Ansicht der Kollegen des LG Bielefeld an. Der Radfahrer scheiterte mit seinem Anspruch. Ihm standen somit keine Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche gegen die Kommune aus § 823 Abs. 1 oder § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz (GG) zu.

BGH bezog schon 1989 zu Bäumen im Wald Stellung

Der BGH führte schon vor einigen Jahrzehnten aus, dass ein Baum, der am Rand eines an einer öffentlichen Straße angrenzenden Waldgrundstücks steht, nur dann der Straße zuzuordnen sei, wenn er Eigentümlichkeiten aufweist, die ihn vom Waldsaum abheben würden. Sofern der Baum unauffällig im Wald stehe, erstrecke sich die öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht des Straßenbauträgers nicht auf eben diesen Baum (Urt. v. 19.01.1989, Az. III ZR 258/87). Der Radfahrer muss sich im vorliegenden Fall also damit abfinden, dass er keine Ausgleichszahlungen von der Kommune für den Unfall erhalten wird.

agr