Über viele Jahre hinweg hat sich der für das Bank- und Börsenrecht bekannte und durchaus mächtige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) kontinuierlich den Ruf eines Verbraucherschrecks erarbeitet, der lediglich den Kreditinstituten des Landes wohlgesonnen zu sein schien. Bislang! Denn was sich gerade am BGH abspielt, damit hätte wohl wirklich niemand gerechnet und bringt sämtliche Banken von einem Tag auf den nächsten in die Defensive.

Viel ist über die genauen Hintergründe bislang nicht bekannt. Doch das, worüber aktuell spekuliert wird, birgt wahre Sprengkraft und könnte mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass zahlreiche Autokäufer, die ihre Fahrzeuge über ein Bankdarlehen finanzieren, ihre Finanzierungsverträge mit Leichtigkeit auch noch Jahre nach ihrem Abschluss werden widerrufen werden können. Sie geben ihr Fahrzeuge also zurück und erhalten im Gegensatz ihre bislang gezahlten Monatsraten zzgl. einer möglicherweise geleisteten Anzahlung von der Bank zurück.

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Wir sind bekannt aus

Aber von vorne:

EuGH-Urteil zum Kaskadenverweis im Darlehensvertrag – BGH reagierte promt

Dass der BGH immer wieder für eine Überraschung gut ist, hat er bereits in der Vergangenheit unter Beweis gestellt: Erst macht der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mit seinem Urteil vom 26.03.2020 – scheinbar – kurzen Prozess mit dem sog. Kaskadenverweis. (Wir haben hierüber berichtet.) Was war der Aufschrei groß, als sich die Nachricht von diesem Urteil wie ein Strohfeuer verbreitete. Insbesondere sahen zahlreiche Verbraucher, die sowohl Ihre Immobilien als auch Fahrzeuge über ein Bankdarlehen finanzierten, die einzigartige Möglichkeit, sich von ihren unliebsam gewordenen Darlehensverträgen zu lösen. Die Bankenlandschaft auf der anderen Seite sah sich schon einem immensen Kundenansturm ausgesetzt.

Doch auf den BGH war auch in diesem Fall Verlass: Nur fünf Tage später wagte er sich in einer sensationellen und für ihn absolut ungewöhnlichen Schnelligkeit aus der Deckung, um in harschen Worten kundzutun, was er von der rechtlichen Bewertung seiner Luxemburger Kollegen hält: Nämlich nichts.

Wohl wissend, welche eine „Hiobsbotschaft“ die Luxemburger Richter im Gepäck hatten, zauberte er zwei bei ihm anhängige Widerruf-Verfahren aus dem Hut und stutze den EuGH zurecht: Solange eine Bank das ihr vorgegebene Belehrungsmuster ohne nennenswerte Abweichungen benutzt habe, um den Verbraucher über sein Widerrufrecht zu belehren, drohte ihr kein Unheil: Denn wenn man sich als Bank eines Musters bediene, welches der Gesetzgeber einem zur Verfügung stelle, dann könne man als Bank darauf vertrauen, dass dieses Muster schon in Ordnung sei. Mit anderen Worten: Als Bank konnte man sich in diesem Fall auf die sog. Gesetzlichkeitsfiktion der Muster-Widerrufsbelehrung berufen und sich zurücklehnen. Immerhin schreibt das Gesetz selbst: Enthält der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form, die bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster entspricht, ist die Bank „fein raus“. Zwar mag der EuGH entschieden haben, dass die Verwendung des Kaskadenverweises unionsrechtlichen Vorgaben nicht entspreche. Der deutsche Gesetzgeber, so der BGH, habe sich seinerzeit aber ganz bewusst für einen solchen Kaskadenverweis entschieden. Würde man nunmehr diese Entscheidung des Gesetzgebers anzweifeln oder gar umkehren, würde dies eine sog. Auslegung contra legem, also gegen das Gesetz, bedeuten. Und das, so der BGH, dürfe nicht sein.

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Muster muss von Banken “wie für den betroffenen Vertrag vorgegeben” ausgefüllt werden

Doch ganz so einfach ist das mit der Gesetzlichkeitsfiktion nicht – auch wenn der BGH in jüngster Vergangenheit das ein oder andere Mal die Grenzen des Musterschutzes immer weiter auszudehnen versuchte. Doch dieses Mal schien der Druck zu groß:

Das den Unternehmen (vornehmlich Banken) zur Verfügung gestellte Muster enthält nämlich sog. Gestaltungshinweise. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das: Das „Grundgerüst“ der Widerrufsinformation ist in weiten Teilen von Gesetzes wegen „vorgefertigt“ – aber eben nicht vollständig. Denn ein kleiner Prozentsatz muss von seinem Verwender selbst noch ausgefüllt werden. Im Fachjargon spricht man hier, wie gesagt, von sog. Gestaltungshinweisen. Dies meint zB den Namen und die Anschrift des Adressaten des Widerrufs. Das ist nur logisch und konsequent: Name und Anschrift desjenigen, an den der Widerruf zu richten ist, sind Dinge, die der Gesetzgeber nicht allgemeingültig vorgeben kann. Es existiert schließlich keine einheitliche Anlaufstelle für sämtliche Widerrufe bundesweit.

Und schon sind wir mitten drin in den beiden BGH-Verfahren, auf die wir zu Beginn angesprochen haben:

Eine Bank kann sich nämlich nur und ausschließlich dann auf die sog. Gesetzlichkeitsfiktion berufen, wenn sie das Muster richtig und wie für den betroffenen Vertrag vorgegeben ausfüllt. Was das genau bedeutet?

Im Falle von Darlehensverträgen, die der Finanzierung eines Fahrzeuges dienen, kann es hin und wieder vorkommen, dass der Darlehensnehmer neben dem Kaufvertrag über das Fahrzeug weitere Verträge abschließt. Hierzu gehört klassischerweise eine sog. Ratenschutzversicherung, die einspringt, wenn der Darlehensnehmer zB wegen Arbeitslosigkeit seiner vertraglichen Ratenzahlungsverpflichtung nicht mehr nachkommen kann.

Darlehens- und Pkw-Kaufvertrag stellen sog. verbundene Verträge dar. Das heißt, dass das Schicksal des einen Vertrages unweigerlich an das Schicksal des anderen Vertrages geknüpft ist. Widerruft der Darlehensnehmer also den Darlehensvertrag, zieht er damit auch Kaufvertrag über das Fahrzeug mit in den Abgrund. Hat der Darlehensnehmer außerdem noch eine Ratenschutzversicherung, also insgesamt drei Verträge, abgeschlossen, bewirkt der Widerruf, dass auch der Ratenschutzversicherungsvertrag in sich zusammenfällt.

Seit dem 30.07.2010 sieht der Gesetzgeber vor, eine Information über verbundene Verträge nur bei deren tatsächlichem Vorliegen zuzulassen. Die Gesetzesbegründung führt hierzu ausdrücklich aus, dass die Gestaltungshinweise ausnahmslos an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden müssen. Vor dem 30.07.2010 war das noch anders: Für diesen Zeitraum hatte der BGH entschieden, dass eine solche allgemeine „Sammelbelehrung“ keinen Bedenken begegne.

Nahezu sämtliche Banken sind diesen gesetzgeberischen Vorgaben aber nicht nachgekommen.

Zur Veranschaulichung ein Beispiel: In der Widerrufsinformation von Darlehensverträgen der Santander Consumer Bank AG heißt es unterhalb der fettgedruckten Zwischenüberschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ klassischerweise wie folgt:

„- Widerruft der Darlehensnehmer diesen Darlehensvertrag, so ist er auch an den KFZ-Kaufvertrag, den Vertrag über die Erbringung von Händler-Service-Leistungen, den Beitritt zur Ratenschutzversicherung, den Beitritt zur Santander Safe Versicherung und den Beitritt zur Santander AutoCare (im Folgenden: verbundener Vertrag) nicht mehr gebunden.“

Eine solche Belehrung wäre aber nur dann richtig, wenn der Darlehensnehmer, dem solch eine Belehrung überlassen wird, auch tatsächlich all diese Verträge abgeschlossen hat. Ist dem aber nicht so, dann soll die Verwendung solch einer allgemein gehaltenen Sammelbelehrung dazu führen, dass die Gesetzlichkeitsfiktion entfällt und der Rechtsprechung des EuGH vom 26.03.2020 Beachtung zu schenken ist. Und da nach Meinung des EuGH der Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB innerhalb der Widerrufsinformation nicht genügt, um den Verbraucher klar und verständlich über sein Widerrufsrecht zu informieren, führt dies dazu, dass die Widerrufsfrist in all diesen Fällen nie zu laufen begann.

Fazit

Wie immer wird man sich auch in diesem Fall gedulden müssen, bis die Entscheidungen des BGH im Volltext veröffentlicht worden sind. Sollten sich die bisherigen Spekulationen aber bewahrheiten, dürfte der wahre Ansturm auf die Kreditinstitute erst noch bevorstehen. Denn aus unserer langjährigen Tätigkeit im Bereich des Widerrufsrechts haben nahezu alle Banken Sammelbelehrungen benutzt. Hierzu gehören im großen Stile die Santander Consumer Bank AG, die Bank Dt. Kraftfahrzeuggewerbe GmbH (kurz: BDK GmbH), die Volkswagen Bank GmbH mit ihren Zweigniederlassungen (AUDI Bank; SKODA Bank; SEAT Bank; AutoEuropa Bank), die RENAULT & NISSAN Bank (auch bekannt als RCI Banque S.A.), die OPEL Bank GmbH und viele weitere.

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