Um die Gesundheit von Kindern zu schützen, hat Bundesminister Cem Özdemir Pläne für mehr Kinderschutz in der Werbung vorgestellt. Nach einem Entwurf des BMEL soll an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Salz oder Fett künftig nicht mehr erlaubt sein. Das Vorhaben ist im Koalitionsvertrag verankert.

Mit einem aktuellen Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will das Ministerium um Cem Özdemir an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel regulieren. Damit setzt das BMEL den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag um. Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt darf dann nicht mehr an Kinder gerichtet werden. Damit sollen Kinder künftig geschützt werden und Eltern im Alltag entlastet werden.

Neues Gesetz soll Kinder vor zu hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt schützen

Kinder zu schützen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und auch die Verantwortung des Staates. Neben ausreichend Bewegung und entsprechenden Angeboten braucht es eine möglichst gesunde Ernährungsumgebung, dafür sind klare Regeln unumgänglich. Das BMEL hat beim derzeitigen Gesetzesvorhaben so auch die Rückendeckung eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses von Wissenschaft und Ärztinnen und Ärzten über Krankenkassen bis hin zu Elternvertretungen, die nachdrücklich eine umfassende Regulierung fordern. Eine große Mehrheit der Bevölkerung befürwortet die aktuellen Pläne.

Worin besteht die Regulierung?

Mit unserem Gesetzentwurf soll an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel reguliert werden. Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt darf dann nicht mehr an Kinder gerichtet werden.

Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt bleibt möglich, sofern sich diese nicht an Kinder richtet. Werbetreibende können weiterhin auch gegenüber Kindern für Lebensmittel werben, die keinen zu hohen Gehalt an Zucker, Fett oder Salz haben. Das BMEL setzt dazu auf die Bereitschaft der Lebensmittelwirtschaft, Rezepturen zu verbessern. Es werden keine Lebensmittel verboten. Jede und jeder darf selbst entscheiden, was sie/er isst, aber nicht jede und jeder, die oder der sich ungesund ernährt tut dies aus freiem Entschluss. Das gilt insbesondere für Kinder.

Als Kinder werden nach dem Gesetzentwurf alle unter 14-Jährigen definiert. Werbung für Lebensmittel mit zu hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt ist demnach an Kinder gerichtet, wenn:

  • die Werbung nach Art, Inhalt oder Gestaltung an Kinder adressiert ist (zum Beispiel durch Kinder als Darsteller, Kinder adressierende Aufmachung oder speziell auf Kinder abzielende Sprache) oder
  • Kinder aufgrund des Werbeumfeldes oder des sonstigen – zum Beispiel räumlichen – Kontextes der werblichen Beeinflussung ausgesetzt werden (zum Beispiel im Umfeld von Kinder- und Familiensendungen, in sozialen Medien oder im Umkreis von Schulen etc.).

Für welche Medien soll das gelten?

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass ein breiter Ansatz notwendig ist. Erfasst werden sollen Hörfunk, Presse oder andere gedruckte Veröffentlichungen, Dienste der Informationsgesellschaft (insb. Internetseiten), audiovisuelle Mediendienste (TV und Dienste auf Abruf/On-Demand-Angebote) und Video-Sharing-Plattform-Dienste (soziale Netzwerke wie Instagram, TikTok, YouTube usw.). Auch Influencermarketing und Außenwerbung werden berücksichtigt. Zudem soll an Kinder gerichtetes Sponsoring für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt künftig nicht mehr zulässig sein.

Woran bemisst sich, ob ein Lebensmittel “viel” Zucker, Fett oder Salz enthält?

Hier orientiert sich der Gesetzentwurf an den Anforderungen des Nährwertprofil-Modells der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das WHO Nährwertprofil-Modell wurde explizit für die Regulierung der Lebensmittelwerbung gegenüber Kindern geschaffen. Es teilt Lebensmittel in verschiedene Kategorien ein. Für jede Kategorie sind eigene Höchstwerte für den Gehalt an Gesamtfett, gesättigten Fettsäuren, Gesamtzucker, zugesetztem Zucker, Süßungsmitteln, Salz und/oder Energie pro 100 g Lebensmittel vorgesehen. An die Einhaltung dieser Höchstwerte können Werberegulierungsmaßnahmen geknüpft werden. Das Modell der WHO ist europäisch eingeführt, berücksichtigt wissenschaftliche Erkenntnisse und trägt dem Gedanken Rechnung, dass Aspekte des Gesundheits-, Kinder- und Verbraucherschutzes Vorrang haben sollen vor wirtschaftlichen Interessen. Es ist praxiserprobt.

Weitere wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs des BMEL

  • Nach Art, Inhalt oder Gestaltung an Kinder adressierte Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt soll nicht mehr zulässig sein:
    • in allen für Kinder relevanten Medien (darunter auch Influencermarketing),
    • als Außenwerbung.
  • Zudem soll Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt nicht mehr zulässig sein, wenn sie Kinder zwar nicht nach Art, Inhalt oder Gestaltung, jedoch aufgrund des Werbeumfeldes oder des sonstigen Kontextes adressiert, d.h.:
    • wenn sie zwischen 6 und 23 Uhr betrieben und damit bewusst in Kauf genommen wird, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen wird bzw. wahrgenommen werden kann,
    • wenn sie im Kontext mit auch Kinder ansprechenden Inhalten betrieben wird,
    • wenn sie in Form von Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern betrieben wird zu Freizeiteinrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich vor allem von Kindern besucht werden, oder Schulen, Kindertageseinrichtungen oder Spielplätzen.
  • An Kinder gerichtetes Sponsoring für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt soll ebenfalls nicht mehr zulässig sein.
  • Die Beurteilung eines hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren.
    • Dieses Nährwertprofilmodell wurde explizit für die Regulierung der Lebensmittelwerbung gegenüber Kindern geschaffen.
    • Es teilt Lebensmittel in verschiedene Kategorien ein. Für jede Kategorie sind eigene Höchstwerte für den Gehalt an Gesamtfett, gesättigten Fettsäuren, Gesamtzucker, zugesetztem Zucker, Süßungsmitteln, Salz und/oder Energie pro 100 g Lebensmittel vorgesehen.
    • An die Einhaltung dieser Höchstwerte können Werberegulierungsmaßnahmen geknüpft werden.
    • Das Modell der WHO ist europäisch eingeführt, berücksichtigt wissenschaftliche Erkenntnisse und trägt dem Gedanken Rechnung, dass Aspekte des Gesundheits-, Kinder- und Verbraucherschutzes Vorrang haben sollen vor wirtschaftlichen Interessen. Es ist praxiserprobt.
    • Milch (hinsichtlich des Fettgehalts) und Säfte (ohne zusätzlichen Zucker oder Süßungsmittel) sollen von der Regelung ausgenommen sein.

Zum Hintergrund

Kinder, die Medien nutzen, sehen täglich im Schnitt 15 Werbespots für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt. Die Mediennutzung ist bei 70 Prozent der 3- bis 17-Jährigen seit Beginn der Corona-Pandemie angestiegen. Durchschnittlich 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, ist für Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. 

Kinder essen etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Rund 15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland sind übergewichtig, darunter knapp sechs Prozent adipös. Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass sich die Situation seit der Corona-Pandemie weiter verschlechtert hat. Für viele ist das schon in jungen Jahren eine erhebliche psychische und physische Belastung. 

Gleichzeitig bleibt im Kindesalter ausgebildetes Übergewicht oftmals ein Leben lang bestehen und erhöht in späteren Lebensphasen das Risiko für die Entstehung ernährungsmitbedingter Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurückzuführen. Die gesamtgesellschaftlichen direkten und indirekten Kosten von Adipositas werden in Deutschland auf 63 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Der vom BMEL erarbeitete Gesetzentwurf soll noch im ersten Quartal 2023 mit den anderen Ressorts der Bundesregierung abgestimmt werden. Die Länder und Verbände werden konsultiert und die Stellungnahmen ausgewertet. Der überarbeitete Entwurf wird der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt werden. Der Bundestag muss den Entwurf beschließen, damit das Gesetz in Kraft treten kann.

tsp