Pflanzliche Ersatz- oder Alternativprodukte kommen wegen EU-Rechts häufig mit kreativen Bezeichnungen daher. So darf Pflanzenmilch nicht als „Milch“ bezeichnet werden und veganer Käse nicht als „Veggie-Cheese“. Doch es muss genau hingesehen werden, ob Produktbezeichnungen tatsächlich gegen EU-Recht verstoßen.
Vegane und vegetarische Alternativen in der täglichen Ernährung finden immer mehr Anklang in Deutschland. Kein Wunder also, dass immer mehr Hersteller pflanzenbasierte Produkte auf den Markt bringen, die als Alternative zu tierischen Lebensmitteln verwendet werden können. Die Kennzeichnung solcher Produkte birgt jedoch einige Herausforderungen. Denn nicht immer sind die für sinnvoll gehaltenen Bezeichnungen der Lebensmittel mit geltendem Recht vereinbar. Für Milchalternativen urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) noch im Jahr 2017, dass pflanzliche Produkte nicht unter dem Namen „Milch“, „Käse“, oder „Joghurt“ vermarktet werden dürfen (EuGH, Urteil vom 14.06.2017, Rechtssache C-422/16 „Tofutown“).
Die richtige Bezeichnung für vegane Ersatzprodukte finden
Auf nationaler Ebene hat die unabhängige Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) Leitsätze erstellt, die für vegane und vegetarische Lebensmittel herangezogen werden können, die eine Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs aufweisen. Aufgabe der Lebensmittelbuchkommission ist es, Handelsbräuche zu ermitteln und zu dokumentieren, sodass sie von den Behörden und Gerichten als Grundlage für Entscheidungen herangezogen werden können. Dort, wo entsprechende Handelsbräuche jedoch nicht festzustellen sind, kann die Lebensmittelbuchkommission ausnahmsweise auch prägend in den Markt eingreifen und selbst Maßstäbe für die Kennzeichnung von Produkten erarbeiten, sodass sich hieran künftig Behörden und Gerichte orientieren können. Die Lebensmittelbuchkommission hat genau dies getan und versucht festzulegen, wann Begrifflichkeiten wie Steak oder Schnitzel für die Kennzeichnung von pflanzlichen Produkten verwendet werden dürfen. Für Milch und Milcherzeugnisse – wie auch weitere Erzeugnisse – sieht allerdings bereits das EU-Recht einen Bezeichnungsschutz vor, sodass diese nicht für die Bezeichnung von veganen Ersatzprodukten verwendet werden dürfen.
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Für die einzelnen EU-Staaten gibt es zu dieser gesetzlichen Regelung einen jeweils anderslautenden Ausnahmekatalog, was auf traditionelle Verwendungen der Bezeichnungen zurückzuführen ist. So ist in Italien die Bezeichnung Mandelmilch (latte di mandorla) zulässig, in Deutschland zum Beispiel nicht.
Folglich müssen sich Unternehmen kreative Bezeichnungen einfallen lassen, um die entsprechenden Produkte verkaufen zu dürfen. Dieses EU-Recht führt somit zu Bezeichnungen wie „Hafer-Drink“ statt Hafermilch. Die Verwendung klarstellender oder beschreibender Zusätze, die auf den pflanzlichen Ursprung des betreffenden Produkts hinweisen, haben nach Ansicht des EuGH auch keine Auswirkungen auf dieses Verbot.
Im Grundsatz geht es auch darum, ob ein Käufer durch die Zusatzbezeichnung „Milch“ oder „Käse“ dahingehend in die Irre geführt werden kann, dass er davon ausgeht, es handele sich tatsächlich um ein Produkt, welches „echten“ Käse oder „echte“ Milch enthält – oder wie die EU-Verordnung das nennt: ein durch mehrmaliges Melken gewonnenes Eutersekret.
Das Konsumverhalten der Verbraucher hat sich jedoch in den vergangenen Jahren stark verändert. Der Nachhaltigkeitsgedanke rückt bei der Auswahl der alltäglichen Lebensmittel immer weiter in den Vordergrund. Vegane und vegetarische Alternativprodukte werden zunehmend beliebter. Da so zwangsläufig auch die Erfahrung und Information bezüglich pflanzlicher Alternativprodukte steigt und Verbraucher die Begriffe „Tofubutter“ oder „Pflanzenkäse“ besser einordnen können, wird die Sinnhaftigkeit des strengen Bezeichnungsschutzes hinterfragt. Trotzdem: Das Tofutown-Urteil des EuGH ist seit 2017 in der Welt und unumstößlich.
Unternehmen sehen sich also damit konfrontiert, ihre Produkte so eindeutig wie möglich, aber ohne Täuschungsgefahr und unter Beachtung der Rechtsprechung des EuGH, zu bezeichnen und in Verkehr zu bringen. Etwas Rechtssicherheit in dieser seit 2017 unsicheren Bezeichnungsphase verschaffte in Deutschland allerdings bereits 2019 ein Urteil des Landgerichts Stade, welches in der Berufungsinstanz durch das Oberlandesgericht Celle (Beschluss vom 06.08.2019, AZ. 13 U 35/19) bestätigt wurde. Die Gerichte entschieden, dass kein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt, wenn eine Bezeichnung so gewählt ist, dass kein geschützter Begriff zur Kennzeichnung verwendet wird und eine Irreführungsgefahr ausgeschlossen ist. Die Bewerbung eines pflanzlichen Käseersatzproduktes als „Käse-Alternative“ stellt dem Urteil nach keine unzulässige Bezeichnung dar. Das Produkt werde so lediglich in Beziehung zu dem Milchprodukt gesetzt und die Eigenschaft als „Alternative“ werde hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Denn der Durchschnittsverbraucher verstehe unter einer „Alternative“ weder eine klarstellende noch eine beschreibende Bezeichnung des Begriffs „Käse“, sondern vielmehr eine Klarstellung dahingehend, dass es sich bei dem Produkt gerade nicht um Käse, sondern um etwas Anderes handelt.
Alle anderen Versuche, pflanzliche Produkte mit einer Ähnlichkeit zu tierischen Produkten zu kennzeichnen, sind allerdings auch in Deutschland noch mit einem hohen Risiko verbunden, entweder von Behörden oder Wettbewerbern abgemahnt zu werden. Da die Kenntnisse der Verbraucher um die Bezeichnung pflanzlicher Alternativprodukte jedoch rasch zunimmt und die verschiedensten kreativen Begriffe mittlerweile besser eingeordnet werden können als früher, bleibt abzuwarten, wie sich die Akzeptanz bei Behörden und Wettbewerbern aus der Milch- und Fleischindustrie und Rechtsprechung in Deutschland in den nächsten Jahren entwickeln wird.
Auch in anderen EU-Ländern, wie aktuell in Frankreich, gibt es mittlerweile Urteile, die den strengen Bezeichnungsschutz unter Betrachtung des gesellschaftlichen Wandels in Frage stellen. Zwar hat die französische Regierung im Anschluss an das Tofutown-Urteil des EuGH Rechtsvorschriften erlassen, die besagen, dass Begriffe wie “vegetarische Wurst” oder “pflanzliches Steak” nicht mehr für fleischlose Produkte verwendet werden dürfen. Seit Oktober 2022 ist es in Frankreich nicht mehr erlaubt, vegetarische Produkte mit Bezeichnungen zu bewerben, die traditionell mit Fleischprodukten assoziiert werden. Allerdings hat Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht, der Staatsrat (Conseil d’État), ein ähnliches Dekret, das im Juni 2022 veröffentlicht wurde, auf Antrag eines Verbandes, der pflanzliche Proteine bewirbt, ausgesetzt.
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Der Conseil d’État legte die Angelegenheit dem EuGH zur Auslegung der europäischen Kennzeichnungsvorschriften vor. Eine Entscheidung steht aus.
Gelten die deutschen Gerichtsurteile auch im Ausland?
Festzustellen ist zunächst, dass jeder EU-Mitgliedstaat zur Kennzeichnung vegetarischer und veganer Produkte mit der Ähnlichkeit zu tierischen Produkten eine eigene Vorgehensweise hat. In all diesen Ländern gelten natürlich zunächst die EU-weiten Gesetze und Verordnungen und die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes. Jedoch gehen die Behörden in den EU-Mitgliedstaaten mit dieser Thematik durchaus unterschiedlich um. Das birgt das Risiko für Hersteller und Händler von pflanzlichen Lebensmitteln, dass sie ein in Deutschland im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung in Verkehr gebrachtes Produkt (zum Beispiel eine „Käse-Alternative“ auf Cashew-Basis), welches im EU-Ausland angeboten wird, dort von den Behörden beanstandet wird. Kann sich der Hersteller und/oder Händler dann darauf berufen, dass das Produkt in Deutschland so rechtmäßig in Verkehr gebracht werden darf, sodass es nun auch im EU-Ausland nicht beanstandet werden darf? Wir meinen ja.
Eine ähnliche Frage musste der EuGH schon früh, im Jahr 1979, klären. Hintergrund war eine Klage der Firma Rewe-Zentral-AG. Weil der Alkoholgehalt von französischem Cassis-Likör nicht der deutschen Branntweinverordnung entsprach, durfte er nicht nach Deutschland eingeführt werden. Rewe gewann diesen Prozess und das Urteil wurde zu einem der relevantesten der EU-Geschichte. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip, welches aus diesem Verfahren hervorging, besagt, dass es einem Mitgliedstaat untersagt ist, seine nationalen Bestimmungen auf importierte Güter anzuwenden, wenn diese in gesetzmäßiger Weise in einem anderen Mitgliedstaat hergestellt worden sind und nicht wichtige Erfordernissen wie Lauterkeit oder Gesundheitsschutz entgegenstehen.
Für die pflanzlichen Alternativprodukte hat dies zur Folge, dass die Bezeichnung, die in Deutschland durch die Rechtsprechung legalisiert ist, in einem EU-Mitgliedstaat nicht untersagt werden darf.
Auch WBS.LEGAL hat bereits einige Erfolge zu diesem Thema unter Bezugnahme auf die Cassis-Formel erreichen können. So hatte z.B. ein langjähriger Mandant von uns für einen namhaften deutschen Drogisten eine vegane Cashew-Creme hergestellt und auf dem Etikett als „Käsealternative“ ausgezeichnet. Das Produkt wurde so gekennzeichnet unter anderem auch in Märkten des Drogisten in Tschechien angeboten. Schnell lag eine Beanstandung der tschechischen Behörde auf dem Tisch. Mit Unterstützung von WBS.LEGAL konnte jedoch erreicht werden, dass die Beanstandung aufgrund des Cassis-de-Dijon-Prinzips und der Rechtsprechung der Instanzgerichte in Deutschland wieder fallen gelassen und das Produkt so gekennzeichnet als in Tschechien verkehrsfähig eingestuft wurde.
In einem ähnlichen Fall vertreten wir aktuell ein deutsches Produktionsunternehmen vor österreichischen Lebensmittelbehörden und sind auch dort zuversichtlich, eine entsprechende Entscheidung zur Verkehrsfähigkeit einer pflanzlichen Käsealternative in Österreich erreichen zu können.
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Jedes Projekt bedarf einer individuellen rechtlichen Betreuung – von der Produktentwicklung über die Produktion bis hin zu Vertrieb und Vermarktung. Das Team um Rechtsanwalt Michael Beuger berät und vertritt Sie in allen rechtlichen Fragstellungen rund um das Lebensmittelrecht und weitere Rechtsgebiete – erfahren und kompetent. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).