Wer geblitzt wird, will oft die Messung überprüfen lassen. Das OLG Frankfurt hat jetzt klargestellt, wie Betroffene und Verteidiger in Hessen Einsicht in die Messdaten nehmen können. Eine Herausgabe der Originaldateien gibt es nicht. Trotzdem muss eine eigene Kontrolle möglich bleiben.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit einer heute veröffentlichten Entscheidung grundsätzlich ausgeführt, wie die Überprüfung eines vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoß vom Betroffenen selbst oder dem Verteidiger erfolgen kann. Einen Anspruch auf Überlassung der verschlüsselten Originaldateien zum privaten Gebrauch gebe es dabei aber nicht. Die Auswertung müsse allerdings so organisiert sein, dass sie eigenständig durchführbar bleibt. Eine Rechtsbeschwerde, die sich auf die vermeintliche Verweigerung der Falldatei stützte, wurde verworfen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 4. Februar 2025, Az. 2 Orbs 233/24).
Der Fall betraf einen Autofahrer, der am 4. Januar 2024 auf der Autobahn A 643 in Fahrtrichtung Mainz geblitzt wurde. An der Messstelle galt eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Nach Abzug einer Toleranz fuhr der Betroffene mit 107 km/h. Das Amtsgericht (AG) Wiesbaden verurteilte ihn deshalb zu einem Bußgeld von 240 Euro. Im weiteren Verlauf beantragte sein Verteidiger die Zulassung einer Rechtsbeschwerde. Er machte geltend, die Zentrale Bußgeldstelle in Kassel habe die gewünschte Herausgabe der Falldatei verweigert. Diese sei jedoch erforderlich, um die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung überprüfen zu können.
Das OLG Frankfurt verwarf den Antrag als unzulässig, da die erhobene Rüge prozessual unzureichend sei. Zugleich nutzte das OLG die Gelegenheit, um die Grundsätze zur Überprüfbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen nochmals klarzustellen.
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Einsicht in Falldateien muss möglich sein
Nach den Ausführungen des OLG bildet die digitale Falldatei den Ausgangspunkt aller Geschwindigkeitsvorwürfe mit zugelassener Messtechnik. Sie enthalte den amtlichen Messwert sowie das Messbild. Die Falldatei selbst sei verschlüsselt und könne nur mit einem zugelassenen Auswerteprogramm sowie dem zugehörigen Schlüssel ausgewertet werden. Beides werde bei der Zentralen Bußgeldstelle in Kassel vorgehalten.
Vor Erlass eines Bußgeldes müsse die Behörde die Tragfähigkeit der Beweismittel prüfen. Dazu werde die verschlüsselte Falldatei entschlüsselt und mit dem Auswerteprogramm analysiert. Entstehen solle dabei eine lesbare Version, die aus dem Messbild und dem Messwert bestehe. Dabei werde der Messwert einem Objekt auf dem Messbild zugeordnet. So entstehe der notwendige Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit, Fahrzeug und Fahrer.
Die Auswertung der Falldatei müsse für alle Verfahrensbeteiligten jederzeit eigenständig wiederholbar sein. Daher müsse die Behörde nicht nur die Falldatei, sondern auch die nötigen Auswertungshilfsmittel bereithalten. Diese Transparenz diene der Kontrolle der behördlichen Entscheidung und sei Teil des fairen Verfahrens.
Nicht umfasst vom Grundsatz der Rückführbarkeit sei der amtliche Messwert selbst. Dieser lasse sich technisch nicht rekonstruieren. Seine Richtigkeit werde durch das sogenannte standardisierte Messverfahren gewährleistet. Eine nachträgliche Überprüfung des Messwerts sei nur eingeschränkt im Rahmen einer Befundprüfung durch die Eichämter möglich.
Geblitzte dürfen Messdaten auch selbst einsehen
Das OLG betonte, dass der Betroffene auch ohne anwaltliche Unterstützung Einsicht nehmen und die Falldatei eigenständig auswerten könne. Er könne bei der Bußgeldstelle einen Termin vereinbaren und dort vor Ort die Daten einsehen. Die Bußgeldstelle stelle das Auswerteprogramm und den Schlüssel zur Verfügung. Alternativ könne der Betroffene die Übersendung einer bereits ausgewerteten und lesbaren Falldatei beantragen. Diese Übersendung erfolge auf eigene Kosten. In diesem Fall müsse der Betroffene allerdings auf die Authentizität der Daten vertrauen, da er die Auswertung nicht selbst vorgenommen habe.
Für Verteidiger gelten zudem die gleichen Grundsätze. Sie können die Falldatei ebenfalls einsehen oder eine Kopie anfordern. Eine Übersendung muss dabei über das besondere elektronische Anwaltspostfach erfolgen. Auch hier könne eine eigenständige Auswertung entweder bei der Behörde oder auf eigene Kosten unter Verwendung des erforderlichen Programms und Schlüssels erfolgen. Die nicht ausgewertete Falldatei gehöre nicht zur Verfahrensakte und falle daher nicht unter das normale Akteneinsichtsrecht.
Wünsche des Verteidigers nach bestimmten Dateiformaten oder bequemeren Verfahren seien, so das OLG, rechtlich nicht geschützt. Die Justiz sei nicht verpflichtet, für eine bequemere Handhabung oder für anwaltliche Wünsche gesonderte Lösungen zu schaffen. Maßgeblich sei allein, dass ein effektiver Zugang zu den Beweismitteln bestehe.
Zeitpunkt der Überprüfung
Das OLG stellte weiter klar, dass die Auswertung der Falldatei rechtzeitig vor der Hauptverhandlung erfolgen müsse. Die Gerichte seien grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Messung im Hauptverfahren von sich aus zu prüfen. Nur wenn sich aus der Verfahrensakte konkrete Hinweise auf Messfehler ergeben, müsse das Gericht eine eigene Überprüfung anstellen. In der Regel sei aber mit der Vorlage der Verfahrensakte der Prüfungsumfang erfüllt.
Das standardisierte Messverfahren garantiere die Richtigkeit des amtlichen Messwertes. Die Beweisaufnahme im Gericht beschränke sich in der Regel auf die Zuordnung des Fahrzeugs und die Identifizierung des Fahrers, sofern diese Punkte streitig seien.
Die Voraussetzungen für eine faire Verteidigung bleiben durch die Verfahrensweise in Hessen gewahrt. Die Zentrale Bußgeldstelle ermögliche die Einsicht und Auswertung der Falldatei in der erforderlichen Weise. Belastbare Einwendungen dagegen habe der Verteidiger im konkreten Fall nicht vorgebracht und seien auch sonst nicht ersichtlich.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist abschließend. Eine weitere Anfechtung ist nicht möglich.
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tsp