Handelt es sich bei dem USM Haller Regalsystem um Kunst? Darüber streitet der Schweizer Möbelhersteller USM mit seinem Konkurrenten Konektra. Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt. Nun soll der EuGH den urheberrechtlich geschützten Werkbegriff erläutern.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen vorgelegt, mit denen der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelte Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks weiter geklärt werden soll (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023, Az. I ZR 96/22).
USM Haller geht gegen Konkurrenten Konektra vor
Die in der Schweiz ansässige USM U. Schärer Söhne AG vertreibt unter der Bezeichnung “USM Haller” seit Jahrzehnten ihr modulares Möbelsystem, bei dem hochglanzverchromte Rundrohre mittels kugelförmiger Verbindungsknoten zu einem Gestell zusammengesetzt werden. In das Gestell können verschiedenfarbige Verschlussflächen aus Metall (sogenannte Tablare) eingesetzt werden. Die so geschaffenen Korpusse können beliebig kombiniert und über- oder nebeneinander angebaut werden.
Der Betreiber eines Online-Shops namens “Konektra” bietet über seinen Online-Shop Ersatzteile und Erweiterungsteile für das USM Haller Möbelsystem an, die in der Form und überwiegend auch in der Farbe den Original-Komponenten von USM entsprechen. Nachdem sich die Konektra zunächst – von USM nicht beanstandet – auf das reine Ersatzteilgeschäft beschränkt hatte, nahm Konektra in den Jahren 2017/2018 eine Neugestaltung seines Online-Shops vor, in dem sämtliche Komponenten aufgelistet wurden, die für den Zusammenbau vollständiger USM Haller Möbel erforderlich sind. Konektra bietet seinen Kunden einen Montageservice an, bei dem die gelieferten Einzelteile beim Kunden zu einem vollständigen Möbelstück zusammengefügt werden.
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USM ist der Ansicht, bei dem USM Haller Möbelsystem handele es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst, jedenfalls aber um ein lauterkeitsrechtlich gegen Nachahmung geschütztes Leistungsergebnis. USM sieht in der Neugestaltung des Online-Shops eine neue Ausrichtung des Geschäftsmodells Konektras, die darauf abziele, nicht mehr nur Ersatzteile für das Möbelsystem von USM anzubieten, sondern ein eigenes Möbelsystem herzustellen, anzubieten und zu vertreiben, das mit dem USM Möbelsystem identisch sei.
USM sieht in dem Angebot Konektras ein Plagiat. Das USM Regalsystem sei als Werk urheberrechtlich geschützt. USM hatte Konektra entsprechend auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, den Ersatz von Abmahnkosten und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. USM stützt die Klageanträge in erster Linie auf Urheberrecht, hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.
OLG Düsseldorf verneint urheberrechtlichen Schutz
Das Landgericht (LG) Düsseldorf hatte der Klage 2020 zunächst aus Urheberrecht überwiegend stattgegeben (LG Düsseldorf, Urteil vom 14. Juli 2020, Az. 14c O 57/19). Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte in der Berufung dagegen urheberrechtliche Ansprüche abgelehnt und lediglich Ansprüche aus Wettbewerbsrecht zuerkannt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 2. Juni 2022, Az. 20 U 259/20).
Zur Begründung hatte das OLG ausgeführt, dass es sich bei dem USM Haller Möbelsystem nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG handele. Es erfülle nicht die vom EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung gestellten Anforderungen an ein Werk, weil seine Gestaltungsmerkmale – auch nach dem von ihnen vermittelten Gesamteindruck – nicht Ausdruck freier kreativer Entscheidungen seien.
Die von USM erhobenen Ansprüche seien aber unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes begründet. Das USM Haller Möbelsystem habe wettbewerbliche Eigenart, weil seine Gestaltungsmerkmale nach ihrem Gesamteindruck auf USM als Herstellerin hinwiesen. Das Angebot Konektras sei gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG unlauter, weil es die Abnehmer in vermeidbarer Weise über die betriebliche Herkunft der angebotenen Produkte täusche.
Gegen diese Entscheidung hatten sodann beide Parteien Revision eingelegt. USM verfolgt seine vom OLG abgewiesenen urheberrechtlichen Ansprüche weiter. Konektra will die vollständige Abweisung der Klage erreichen.
Haben Möbel urheberrechtlichen Schutz? BGH setzt Verfahren aus
Der BGH hat das Verfahren nun ausgesetzt und dem EuGH drei Fragen zu bestimmten Aspekten des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft enthaltenen Begriffs des Werks vorgelegt. Die richtige Auslegung ist mit Blick auf das beim Gerichtshof der Europäischen Union zum Aktenzeichen C-580/23 anhängige Vorabentscheidungsersuchen des schwedischen Berufungsgerichts für Patente und Märkte (“Svea hovrätt”), das gleichfalls Fragen zum Werkbegriff aufwirft, nicht derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt.
Zunächst soll durch den EuGH geklärt werden, ob das OLG Düsseldorf mit Blick auf den für Werke der angewandten Kunst ebenfalls in Betracht kommenden Schutz als Geschmacksmuster oder Design zutreffend von einem Ausnahmecharakter des Urheberrechtsschutzes mit der Folge ausgegangen sei, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen seien als bei anderen Werkarten.
Fraglich sei außerdem, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers beim Schöpfungsprozess abzustellen sei und er insbesondere die kreativen Entscheidungen bewusst treffen müsse oder aber ob es auf einen objektiven Maßstab ankomme.
Zudem sei laut BGH bislang nicht eindeutig geklärt, ob bei der Beurteilung der Originalität nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetretene Umstände herangezogen werden können, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen.
Die Frage, ob und wann Möbel neben einem etwaigen Designschutz auch urheberrechtlichen Schutz genießen, ist für Hersteller von Designmöbeln von großer finanzieller Bedeutung, weshalb das Verfahren enorme Wichtigkeit hat.
Bis zu einer EuGH-Entscheidung, ist das Verfahren nun zunächst ausgesetzt.
tsp