Das OLG Düsseldorf hat sich gleich in zwei Fällen mit der Frage beschäftigt, wann ein Produkt als klimaneutral beworben werden darf. Konkret ging es um den Fruchtgummihersteller Katjes und den Konfitürenhersteller Mühlhauser. Die Wettbewerbszentrale nahm beide Hersteller auf Unterlassung der Bewerbung ihrer Produkte als klimaneutral in Anspruch.

Die Bewerbung von Produkten als klimaneutral stelle nicht ohne weiteres eine Irreführung der Verbraucher dar. Wichtig sei jedoch, dass der Verbraucher über die grundlegenden Umstände der von einem Unternehmen behaupteten Klimaneutralität aufgeklärt werde. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf lehnte den Unterlassungsanspruch der Wettbewerbszentrale gegen den Fruchtgummihersteller Katjes ab. Anders entschied das Gericht im Fall des Konfitürenherstellers Mühlhauser (Urt. v. 06.07.2023, Az. I-20 U 72/22 und I-20 U 152/22).

Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale gegen die Bezeichnung der Produkte der beiden Hersteller als klimaneutral. Diese sei deshalb irreführend, weil sie von den angesprochenen Verbraucherkreisen so verstanden werde, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Gleiches gelte für den Leserkreis der Lebensmittel-​Zeitung, in der die entsprechende Werbung erschienen sei. Die Zeitung richte sich zwar an ein Fachpublikum, könne aber auch von Verbrauchern abonniert werden. Aus diesem Grund müsse die Werbeaussage dahingehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde.

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Klimaneutralität durch Kompensationszahlungen?

Der Fruchtgummihersteller Katjes hielt die Klage für unbegründet und wies darauf hin, dass durch verschiedene Umstellungen im Produktionsprozess der CO2-Ausstoß bereits um knapp 20 Prozent reduziert werden konnte. Es sei klar, dass die Herstellung von Fruchtgummi und Lakritz nicht völlig CO2-frei erfolgen könne, da Energie, aber auch Transport und Verpackung zwangsläufig CO2-Emissionen nach sich ziehen würden. Durch vom Fruchtgummihersteller geförderte Klimaschutzprojekte erfolge jedoch eine bilanzielle Kompensation des freigesetzten CO2. Ähnlich argumentierte der Konfitürenhersteller und verwies dabei auf von ihm unterstützte Aufforstungsprojekte in Südamerika.

Im Fall von Katjes hatte das Landgericht (LG) Kleve die Klage der Wettbewerbszentrale abgewiesen (Urt. v. 22.6.2022, Az. 8 O 44/21). Im Fall von Mühlhäuser jedoch hatte das LG Mönchengladbach der Klage der Wettbewerbszentrale stattgegeben (Urt. v. 25.02.2022, Az. 8 O 17/21). Das OLG Düsseldorf hat nun in beiden Verfahren im Ergebnis das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Unterlassungsanspruch bei Verletzung der Informationspflicht

Zur Begründung verwies der Senat darauf, dass der durchschnittliche Verbraucher den Begriff klimaneutral im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen eines Produktes verstehe. Dabei sei ihm jedoch auch bekannt, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden könne.

Das OLG Düsseldorf zog in diesem Zusammenhang einen Vergleich zu Flugreisen. Auch solche Dienstleistungen würden als klimaneutral beworben werden, obwohl sie nicht emissionsfrei erbracht werden könnten und Klimaneutralität daher nur durch Kompensationszahlungen möglich sei. Dies sei allen Verbrauchern bekannt. Ob sich der Begriff der „Klimaneutralität“ auf ein Unternehmen als Ganzes oder nur auf ein konkretes Produkt beziehe, sei unerheblich. Die Werbung beider Herstellerfirmen sei daher jeweils für sich allein genommen nicht irreführend.

Im Einzelfall könne ein Unterlassungsanspruch jedoch trotzdem gegeben sein. Dies sei nämlich dann der Fall, wenn der Werbende seine Informationspflicht verletzt habe, indem er dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten habe. Auf welche Weise die Klimaneutralität eines beworbenen Produktes erreicht werde, stelle eine solche wesentliche Information dar, weil der Klimaschutz für Verbraucher ein zunehmend auch im Alltag wichtiges Thema sei und daher die Kaufentscheidung erheblich beeinflussen könne.

Aufklärungsinteresse der Verbraucher

Gerade weil der Verbraucher wisse, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden könne, bestehe ein Interesse an der Aufklärung über die grundlegenden Umstände der von einem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Im Falle des Konfitürenherstellers hätte weder die Werbeanzeige in einer Zeitschrift für Lebensmittel noch die Produktverpackung einen Hinweis darauf enthalten, wie es zur beworbenen Klimaneutralität komme, so das OLG. Dagegen habe Katjes die erforderlichen Informationen in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt. Der Leser der entsprechenden Anzeige in der Zeitschrift für Lebensmittel könne über den darin enthaltenen QR-Code die Webseite von „ClimatePartner.com“ aufsuchen. Dieser Webseite könnten sodann die erforderlichen Angaben entnommen werden.

Dies sei laut Auffassung des Gerichts auch ausreichend, um den Verbraucher zu informieren, da es in einer Zeitungsanzeige am Platz dafür fehle, die über die bloße Information „Klimaneutralität wird auch durch Kompensation erreicht“ hinaus erforderlichen näheren Angaben zu Art und Umfang etwaiger Kompensationsleistungen aufzunehmen.

Beide Berufungsurteile sind nicht rechtskräftig, da der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der streitentscheidenden Fragen die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH)  zugelassen hat.

Gesetzesentwurf zum Verbot von „Greenwashing“

Im Moment plant die EU-Kommission ein Gesetz zum Verbot von „Greenwashing“. Als „Greenwashing“ wird der Versuch von Unternehmen bezeichnet, sich durch Geldspenden für ökologische Projekte, PR-Maßnahmen oder ähnliches als besonders umweltbewusst und umweltfreundlich darzustellen. Die Kommission stellte hierfür bereits am 22. März 2023 einen Gesetzentwurf vor. Aus diesem geht hervor, dass Unternehmen ihre Produkte künftig nur dann als klimaneutral oder umweltfreundlich bewerben dürfen, wenn dies wissenschaftlich belegbar ist. Die den Werbeversprechen zugrunde liegenden Daten sollen für Verbraucher offen einsehbar sein. Diese sollen hierdurch Gewissheit erlangen können, „dass etwas, das als grün verkauft wird, auch wirklich grün ist“.

ezo