Ein 44-Jähriger Mann erhielt keinen Zutritt zu einer U-29-Party. Deshalb klagte er sich bis zum BGH- und scheiterte nun. Dennoch haben Event-Veranstalter beim Aussperren bestimmter Gruppen keinesfalls alle Freiheiten.

Der Bundesgerichtshof musste sich aktuell mit einem etwas kuriosen Fall beschäftigen. Ein damals 44 Jahre alter Anwalt auf München wollte mit Freunden (36 und 46 Jahre alt) im August 2017 ein Open-Air-Event in München besuchen. Es handelte sich um eine Party-Veranstaltung für bis zu 1500 Gäste, auf der DJs elektronische Musik auflegen sollten; einen Vorverkauf gab es nicht. Als die Männer dort zum Feiern hingingen, wurde ihnen aber der Einlass verwehrt. Der Grund: die Zielgruppe der Veranstaltungen seien Personen im Alter von 18 bis 28 Jahren. Dementsprechend wurden dem optischen Eindruck nach altersgemäß nicht zur Zielgruppe passende Personen abgewiesen.

Klage wegen Benachteiligung

Der abgewiesene Anwalt klagte daraufhin gegen den Eventveranstalter. Er verlangte zunächst vor dem Amtsgericht München, dann vor dem Landgericht München, Entschädigung wegen Verstoßes gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot aus § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG:

(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

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typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen ist unzulässig.

Der Kläger verlangt eine Entschädigungszahlung in Höhe von 1.000€ zuzüglich der vorangegangenen Kosten für ein Schlichtungsverfahren. Seine Klage blieb vor dem Amtsgericht und Landgericht erfolglos. Das Landgericht führte in seinem Urteil (31. März 2020, Az. 13 S 17353/18) zunächst aus, dass der Anwendungsbereich der Norm überhaupt nicht eröffnet sei. Denn Fall 1 der Norm umfasst ausschließlich Massengeschäfte, also solche Verträge, die typischerweise unabhängig vom Individuum zustande kommen, also ohne Ansehen der Person. Beispiele dafür sind Einkauf im Supermarkt oder Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber auch ohne Massengeschäft kann eine Benachteiligung unzulässig sein, wenn es sich um sonstige Verträge handelt, bei der die persönliche Auswahl des Vertragspartners eine sehr nachrangige Rolle spielt (Fall 2).

Das Landgericht war der Meinung, dass beide Fälle nicht zutreffen. Bei einer Veranstaltung von 1500 Personen handelt es sich nicht um ein Massengeschäft, bei der die Auswahl der Vertragspartner bedeutungslos ist. Der Veranstalter darf selbst entscheiden, für wen er seine Türen öffnen will und hat dabei zulässigerweise entschieden, die Party nicht für allgemeines Publikum, sondern für junge „Partygänger“ zu eröffnen. Deshalb hatte der Anwalt keinen Anspruch auf Einlass und wurde nicht benachteiligt.

Der 44-Jährige legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.

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Zustimmung vom BGH: Party-Event kein Massengeschäft

Am 05. Mai 2021 entschied nun auch der BGH über diesen Fall (Az. VII ZR 78/20). Auch vor dem BGH blieb der Münchner erfolglos. Der BGH bestätigte, dass es sich bei der betroffenen Veranstaltung keinesfalls um ein Massengeschäft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 handelt. Wann ein solches vorliegt, misst sich maßgeblich an der Verkehrssitte.

Diesbezüglich stellt der BGH zunächst fest, dass viele öffentliche Veranstaltungen, wie Kinobesuche oder Sportveranstaltungen, regelmäßig sehr wohl dem Anwendungsbereich des Benachteiligungsverbot unterliegen. Denn dort wird nach der Verkehrssitte der Eintritt nicht erst nach individuellem Ansehen der Gäste gewährt, sondern meist für jeden, der im Vorverkauf zahlungsbereit war – typische Merkmale eines Massengeschäfts.

Party-Event-Veranstaltungen unterscheiden sich aber genau in diesem entscheidenden Aspekt. Auf spezielleren, einzelnen Events kommt es nach der Verkehrssitte eben doch stark auf die Zusammensetzung des Besucherkreises an, da sie auch durch die Interaktion der Besucher geprägt werden. Persönliche Merkmale des Vertragspartners spielen dabei eine große Rolle. Das Landgericht hatte deshalb rechtfehlerfrei festgestellt, dass hier kein Massengeschäft vorliegt.

Party-Events sind auch nicht „massengeschäftsähnlich“

Das Event der Beklagten war nach Ansicht des BGH auch kein massengeschäftsähnliches Schuldverhältnis im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG. Diese liegen vor, wenn zwar die Auswahl der Person relevant ist, sie aufgrund der Vielzahl der Geschäfte aber nur eine untergeordnete Rolle in der Form spielt, dass grundsätzlich nur in völlig atypischen Fällen ausnahmsweise kein Vertrag zustande kommt.

Bei einem Party-Event spielt die persönliche Auswahl, aber keine so stark untergeordnete Rolle. Denn bei solchen Veranstaltungen „kann die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richtet und nur Personen als Vertragspartner akzeptiert, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, kommt diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willensentscheidung ist hinzunehmen; wenn dabei auch das Merkmal ‚Alter‘ betroffen ist, steht dies nicht entgegen.“

Da der Veranstalter schon im Vorhinein ein Konzept ausgearbeitet hatte, dass für junge Techno-Partygänger ausgelegt war, durfte er dies also zulässigerweise durch die Einlasskontrolle sicherstellen. Somit blieb der Anwalt in allen drei Instanzen erfolgslos und kann keine Entschädigung verlangen.

ses