Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ein klares Zeichen gegen rechtswidrige Zinssenkungen bei Prämiensparverträgen gesetzt und durchgegriffen. Mit einer neu erlassenen Allgemeinverfügung werden Banken gezwungen auf rechtswidrige Klauseln in alten Verträgen hinzuweisen und Ausgleichsvorschläge zu unterbreiten. Hunderttausende Kunden können zu Unrecht nicht gezahlte Zinsen von den Banken erstattet bekommen.

Sogenannten Prämiensparverträge wurden vor allem von den 1990er bis frühen 2000er Jahren Bankkunden als rentable Sparmodelle angeboten. Dabei handelt es sich um langfristige Sparverträge, in die durch die Sparenden regelmäßig eingezahlt wurde. Die Kunden erhielten neben Zinsen eine Prämie auf die Sparleistung, die sich mit der Dauer der Vertragslaufzeit erhöhte. Was so einfach und ertragreich klingt hat sich aber im Laufe der Zeit zu einem Ärgernis für Verbraucher entwickelt. Denn Anbieterübergreifend enthielten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken in der Regel Zinsanpassungsklauseln, die es den Banken erlaubten, willkürlich die Zinsen zu senken. Als Folge wurde mit den Jahren unverhältnismäßig niedrige Zinsen ausgezahlt.

BGH erklärt Anpassungsklauseln für unwirksam

Schon seit einem BGH-Urteil im Jahr 2004 (Urt. v. 17.02.2004, Az.: XI ZR 140/03)

steht fest, dass die Zinsanpassungsklauseln in den meisten Prämiensparverträgen rechtswidrig sind. Durch den willkürlichen Spielraum, den sich die Banken eingeräumt hatten, sei es Kunden nicht möglich gewesen Zinsänderung zu kalkulieren oder deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Die Klauseln verstießen gegen die Regelung des § 306 BGB und damit gegen ein Verbraucherschutzgesetz.

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Nach dem Urteil erstellten die Kreditinstitute für das Neugeschäft neue Zinsklauseln. Bereits laufende Bestandsverträge wurden einseitig ohne Abschluss einer individuellen Änderungsvereinbarung mit den Kunden durch die Banken mit den neuen Klauseln angepasst. Über die Unwirksamkeit der bisherigen Klauseln unterrichteten die Banken ihre Kunden nicht. Nach Auffassung der BaFin griffen die Kreditinstitute so in unzulässiger Weise eigenmächtig in das Vertragsgefüge ein. Zudem wurde die Zinsansprüche im Bestandsgeschäft auch nicht anhand der neu eingeführten Parameter rückwirkend ab Vertragsbeginn nachberechnet.

Neue Klauseln ohne Einwilligung der Kunden ebenfalls rechtswidrig

2010 stellte der BGH die Gesetzwidrigkeit dieser einseitigen Klauselersetzung mit einem Urteil (Urt. V. 13.03.2010, Az.: XI ZR 197/09) fest. Er legte zudem die Anforderungen an die Gestaltung von zulässigen Zinsanpassungsklauseln dar. Somit war höchstrichterlich entschieden, dass sowohl die einseitige Änderung als auch viele der im Bestandsgeschäft neu angewandten Klauseln immer noch inhaltlich rechtswidrig waren.

Durch die teilweise Unwirksamkeit der Zinsänderungsklauseln entstanden Lücken in den Sparverträgen, die durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen sind. Die Auslegung obliegt allein den hierzu berufenen Gerichten. Verschiedene Verbraucherschutzorganisationen haben bereits Klagen gegen Kreditinstitute erhoben, um die inhaltlichen Anforderungen an eine Zinsanpassungsklausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung gerichtlich klären zu lassen. Die Verfahren sind noch anhängig und ein gerichtliches Urteil existiert dahingehend noch nicht.

BaFin bemüht sich um einvernehmliche Lösung mit den Banken

Um den jahrelang andauernden rechtswidrigen Zustand endlich zu beseitigen, fand 2020 ein „Runder Tisch“ auf Einladung der BaFin statt. Es waren Vertreter der Verbraucherzentralen und Banken anwesend. Ein Konsens konnte aber nicht gefunden werden.

Die geltende Rechtsprechung zu ignorieren und die unwirksamen Klauseln bewusst weiterzuverwenden, sah die BaFin schließlich als Missstand an, bei dem ein Einschreiten geboten war. Das kollektive Verbraucherschutzinteresse überwiege den Interessen der Banken, da die Verbraucher gegenüber den Banken strukturell unterlegen und darauf angewiesen seien, dass die Kreditinstitute sich an das geltende AGB-Recht und BGH-Rechtsprechung hielten.

Allgemeinverfügung zwingt Banken einzulenken

Die BaFin erließ schließlich am 21.06.2021 eine Allgemeinverfügung bezüglich Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen auf Grundlage des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz. Das ist das erste Mal das die BaFin von dieser Möglichkeit Gebrauch macht!

Es wird angeordnet, dass die Banken die betroffenen Verbraucher darüber informieren müssen, wenn in der Vergangenheit rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln in den Verträgen verwendet wurden. Es muss zudem eine unwiderrufliche Zusage erfolgen, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung zu machen. Alternativ kann ein mit der bisherigen Rechtsprechung konformes Alternativangebot im Rahmen eines individuellen Änderungsvertrages unterbreitet werden. Betroffene können also endlich ihre ihnen zustehenden Zinsen erhalten!

Bereits gekündigte Verträge und Verjährung

Seit etwa 2017 beenden Kreditinstitute die betroffenen Verträge durch Kündigung, in der Hoffnung sich so der Problematik entziehen zu können. Zudem versuchen sie sich immer häufiger auf eine Verjährung bezüglich der geltend gemachten Nachzahlungsansprüche zu berufen.

In der Allgemeinverfügung wird deutlich gemacht, dass sich diese auch auf gekündigte Verträge erstreckt. Denn auch bezüglich der gekündigten Verträge läge ein Missstand vor, der nicht durch eine institutsseitige Kündigung der Sparverträge beseitigt werden könne.

Die Unterrichtungspflicht der Allgemeinverfügung gilt zudem unabhängig davon, ob zivilrechtliche Nachberechnungs- und Nachzahlungsansprüche des jeweils einzelnen Verbrauchers bereits der Einrede der Verjährung ausgesetzt sein könnten oder nicht. Es soll den Verbrauchern möglich sein das Bestehen von Ansprüchen zu prüfen, unabhängig davon, ob die Bank der Auffassung ist, dass die Ansprüche bereits verjährt sind.

Etwas anderes gilt, wenn bereits individuelle einvernehmliche Lösungen zwischen den beteiligten Parteien geschlossen wurden.  

Was passiert als nächstes?

Gegen die Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden. Ansonsten hat die BaFin für die Umsetzung eine Frist von 12 Wochen ab Bekanntgabe festgelegt. Zudem wird erwartet, dass nach den zahlreichen Klagen der BGH sich in naher Zukunft zu einer verbindliche Berechnungsgrundlage für Zinsänderungen in Prämiensparverträgen äußert.

Wenn Sie in der nächsten Zeit Schreiben von Ihrer Bank bezüglich unwirksamer Zinsanspruchsklauseln bekommen sollten und Ihnen ein Vergleichsangebot unterbreitet wird, raten wir dazu dieses erst eingehend zu prüfen bevor Sie entscheiden, ob Sie das Angebot annehmen. Es stehen im Durchschnitt Nachzahlungen von mehreren Tausend Euros im Raum.

eas